In der Mitte der dreissiger Jahre des letzten Jahrhunderts schien das Verständnis der fundamentalen Strukturen der Materie scheinbar beinahe vollständig zu sein.
Bereits um die Jahrhundertwende hatte Rutherford nachgewiesen, dass Atome kleine, aber sehr massereiche Kerne besitzen.
Mit Hilfe der Quantentheorie
konnten Atomspektren und Elektronen Orbitale verstanden werden. Die Entdeckung des Neutrons
erklärte die Existenz der nuklearen Isotope. Somit waren Protonen, Neutronen und
Elektronen die damaligen fundamentalen Bausteine der Materie.
Einige Unklarheiten blieben jedoch bestehen:
Was hält Protonen und Neutronen im Atomkern zusammen?
Welche Kräfte verursachen den radioaktiven Zerfall der Kerne aus dem alpha, beta und gamma Strahlen hervorgehen?
Die Untersuchung der Struktur des Atoms wurde von Rutherford mit Hilfe von Streuexperimenten durchgeführt. Als Quelle der Projektile (alpha Teilchen) verwendete er radioaktive Substanzen. Um die Atomkerne und die Wechselwirkungen der Protonen und Neutronen zu studieren, benötigten die Physiker ein besseres Werkzeug, das Untersuchungen innerhalb der viel kleineren Distanzen des Atomkerns ermöglichte. Der Teilchenbeschleuniger ist ein Werkzeug, das den Physikern erlaubt, sehr kleine Strukturen aufzulösen, indem er Teilchen mit sehr grossem Impuls und daher kleiner Wellenlänge erzeugt. Die Wellenlänge () der zum Teilchen gehörenden Welle ist zu seinem Impuls (p) umgekehrt proportional (= h/p), hier ist h gleich der Planck'schen Konstante.
In Experimenten der Teilchenphysik untersucht man Zusammenstösse hochenergetischer Teilchen, die in Beschleunigern erzeugt werden. In den heutigen Experimenten, ist der Ort an dem die Teilchen zusammenstossen von riesigen Detektoren, die aus vielen Schichten aufgebaut sind, umgeben. Jede dieser Schichten des Detektors hat ihre besondere Aufgabe, die darin besteht, den Spuren und der Identität derjenigen Teilchen nachzugehen, die bei den Kollisionen entstehen.
Zur grossen Überraschung der Physiker zeigten die an Beschleunigern durchgeführten Experimente, dass die Teilchenwelt sehr vielfätig ist: eine grosse Zahl neuer Teilchenarten - ähnlich den Protonen und den Neutronen (man nannte sie Baryonen) - und eine ganz neue Teilchenfamilie, die Mesonen - wurde entdeckt. Zu Beginn der sechziger Jahre waren mehr als hundert verschiedener Teilchenarten bekannt und die Physiker hatten immer noch kein klares Bild der fundamentalen Kräfte.
Im Jahre 1964, entwickelten zwei Physiker - Murray Gell-Mann und George Zweig - unabhängig voneinander die Idee, dass der Aufbau der Neutronen, Protonen und aller dieser neu entdeckten Teilchen mit Hilfe einiger einiger weniger, noch kleinerer Teilchen verstanden werden kann. Gell-Mann nannte sie Quarks. So konnte der Aufbbau aller beobachteten Baryonen und Mesonen mit gerade drei Arten von von Quarks (heute heissen sie up, down und strange) und den dazugehörenden Antiquarks erklärt werden. Ein revolutionärer Teil der Theorie bestand darin, dass diesen Quarks elektrische Ladungen von 2/3 und -1/3 in Einheiten der Protonenladung zugeordnet werden musste. Derartige Ladungen wurden aber noch nie beobachtet!
Antiquarks sind die aus Antimaterie bestehenden Partner der Quarks. Sie haben dieselben Massen, aber die entgegengesetzten elektrischen Ladungen wie die entprechenden Quarks. Wenn ein Quark auf ein Antiquark trifft, so können diese Teilchen annihilieren. Sie verschwinden und treten in einer anderen Energieform wieder auf.
Beinahe dreissig Jahre - und viele Experimente - später war die Quark Idee allgemein akzeptiert und durch Experimente bestätigt. Sie ist nun ein Teil des Standard Modells der fundamentalen Teilchen und Kräfte. Neuere Experimente zeigten, dass es sechs Arten von Quarks gibt (mit den seltsamen Namen up, down, strange, charm, bottom und top; geordnet nach zunehmender Masse). Dazu kommen sechs Arten von Teilchen, zu denen das Elektron gehört, welche Leptonen genannt werden. Das Standard Modell beschreibt die starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung zwischen Quarks und Leptonen, und erklärt auf diese Weise die Kernkraft und die Erscheinungsformen der Teilchenzerfälle.
Der Grund dafür, dass Teilchen mit Bruchteilen elektrischer Ladungen - wie man sie eigentlich bei Quarks erwartet hätte - nie beobachtet wurden, liegt darin, dass Quarks nie einzeln auftreten können. Sie sind immer in Form zusammengesetzter Teilchen - Hadronen genannt - gebunden. Es gibt zwei Klassen von Hadronen: Baryonen, welche drei Quarks enthalten und Mesonen, welche ein Quark und ein Antiquark enthalten. Die Hadron Tafeln der Standard Modell Karte zeigen einige wenige Beispiele der vielen bekannten Teilchen. Teilchen, die aus den ersten fünf Quarksorten bestehen, wurden mit Hilfe von Bschleunigern hergestellt und untersucht. Das top Quark enthät soviel Masse, dass es viele Jahre und Teilchenbeschleuniger hoher Energie gebraucht hat um es zu erzeugen. Es wurde schliesslich im April 1995 am Fermilab entdeckt.
Im Gegensatz zu den Quarks kommen alle sechs Leptonenarten frei vor. Das Elektron ist das bekannteste Lepton. Zwei weitere geladene Leptonen, das Myon (entdeckt im Jahre1936) und das Tau (entdeckt im Jahre 1975), unterscheiden sich vom Elektron nur durch ihre viel grössere Masse.
Die andern drei Leptonen sind sehr seltsame Teilchen, die man Neutrinos nennt. Diese sind elektrisch ungeladen und haben eine sehr kleine Masse. Zu jedem elektrisch geladenen Lepton existiert eine zugehörige Neutrinoart. Zu jedem der sechs Leptonen existiert auch ein zugehöriges Antilepton gleicher Masse aber entgegengesetzter Ladung.
Bis jetzt haben wir die Bausteine der Materie beschrieben, aber wir müssen uns auch fragen: Was hält die Welt zusammen? Alle Kräfte werden durch die zugrundeliegenden Wechselwirkungen zwischen den Teilchen hervorgerufen. Die Natur kennt vier Arten davon: Gravitation, elektromagnetische, starke und schwache Wechselwirkung. Gravitation ist im Allgemeinen die bekannteste Kraftart, sie wird jedoch vom Standard Modell nicht beschrieben. Die Wirkungen der Gravitation sind in der Welt der kleinsten Teilchen vernachlässigbar und zudem haben die Physikern bis jetzt noch keinen Weg gefunden, wie man Gravitation im Rahmen des Standard Modells beschreiben kann.
Elektromagnetismus. Diese Kraft ist ebenfalls wohlbekannt; sie bewirkt, dass Elektronen an den Atomkern gebunden werden, sodass sich neutrale Atome bilden können. Atome wiederum finden sich zusammen und bilden Moleküle oder Kristalle, wiederum auf Grund elektromagnetischer Wirkungen ihrer geladenen Bestandteile. Die meisten der im Alltag auftretenden Kräfte, beispielsweise die Reibung, haben ihre Ursache in den elektromagnetischen Kräften zwischen den Atomen, aus der die Materie besteht. Diese Kräfte verhindern, dass sich Atome (oder Elektronen) aus ihren Gleichgewichtspositionen entfernen können.
In den Prozessen, die sich zwischen Teilchen abspielen werden Kräfte durch den Austausch einer besonderen Art von Teilchen beschrieben; zu jeder Kraftart existiert eine dazugehörende Art von "Kraft-Träger" Teilchen. Für die elektromagnetische Kraft ist es das Photon (das hochenergetische Photon eines nuklearen Übergangs heisst gamma Teilchen).
Für Abstände, die viel grösser sind als der Durchmesser eines Atomkerns haben die beiden restlichen Kraftarten praktisch keine Wirkung mehr - sie werden im Alltag nicht mehr wahrgenommen. Aber wir erkennen sie an der Rolle, die sie beim Aufbau der Welt um uns herum spielen und vor allem an den Zerfallsprozesssen, die einen Teil der Materie instabil machen.
Die Starke Kraft hält die Quarks zusammen, sodass diese Hadronen bilden können. Die zugehörenden Kraftträger Teilchen heissen sinnvollerweise Gluonen , weil sie erfolgreich Quarks "zusammenleimen" (engl. to glue). Die Bindungskraft der Protonen und Neutronen im Atomkern hat ihre Ursache in einer "Rest-Wechselwirkung" der starken Kraft, die von ihren Bestandteilen - Quarks und Gluonen - herrührt. Leptonen kennen keine starke Wechselwirkung.
Schwache Wechselwirkung verursacht die einzigen Prozesse bei denen eine Quarkart in eine andere Quarkart, oder eine Leptonart in eine andere Leptonart, übergehen kann. Sie ist für die Tatsache verantwortlich, dass schwerere Quarks in leichtere und schwerere Leptonen ebenfalls in leichtere Leptonen zerfallen können. Daher besteht die Materie, die uns umgibt nur aus Elektronen und den beiden leichtesten Quarkarten dem (up und dem down Quark). Die Vermittler Teilchen der schwachen Wechselwirkung werden W und Z Bosonen genannt. Der Beta Zerfall von Kernen war der erste schwache Prozess, den man beobachtete: wenn in einem Kern genügend Energie vorhanden ist, so verwandelt sich ein Neutron in ein Proton und gibt ein Elektron, sowie ein unsichtbares Neutrino ab. Dieser Prozess ändert die Ordnungszahl des betreffenden Kerns. Die dabei emittierten Elektronen werden beta Strahlung genannt.
Damit haben wir beta und gamma Strahlung verstanden. Wie erklärt man jetzt die alpha Strahlen? Das alpha Teilchen ist ein Helium Atomkern - eines der nuklearen Spaltprodukte. Unter "fission" oder Spaltung versteht man das Aufbrechen eines massereichen Kerns in seine "leichteren" Bestandteile. Das kann geschehen, wenn die Summe der Massen der leichteren Kerne kleiner ist als die Masse des ursprünglichen Kerns. Fission hat ihre Ursache in der Rest-Wechselwirkung der starken Kraft.
Das Standard Modell beantwortet viele Fragen über Struktur und Stabilität der Materie mit Hilfe seiner sechs Quark- und Leptonarten und den vier Wechselwirkungen.
Es lässt aber auch viele Fragen unbeantwortet:
Diese Fragen bringen die Teilchenphysiker dazu, neue und grössere Teilchenbeschleuniger zu bauen, so dass mit Hilfe von Teilchenkollisionen noch höhrer Energie Ansätze zu den Antworten gefunden werden können.